Mit Urteil vom 20. Februar 2015 hat das Landgericht Köln (Az.: 12 O 186/13) entschieden, dass ein Rahmenvertrag einer Internet- und Werbeagentur wegen verschiedenster versprochener (Dienst-)Leistungen wie unter anderem Suchmaschinenoptimierung, Affiliate-Marketing, Newsletter-Marketing, Projektmanagement, Beratung, Konzeption/Strategie, Kreation/Gestaltung/Layout/Reinzeichnung etc. insgesamt als Dienstvertrag einzustufen ist, auch wenn Vertragsbestandteil des Vertrags eine Website-Erstellung ist, welche sich bekanntlich nach gängiger Rechtsprechung grds. nach Werkvertragsrecht verhält.
I. Was war passiert?
Die Klägerin, eine Internet-Werbeagentur, nahm die Beklagte, ihre Auftraggeberin, auf Zahlung in Anspruch. Die Beklagte hatte daraufhin nicht nur Klageabweisung beantragt, sondern eine Widerklage erhoben auf Rückzahlung bereits gezahlter Monatsbeträge.
Hintergrund des Rechtsstreits war, dass die Parteien einen Vertrag über eine Internetagentur-Flatrate zu einer Pauschalvergütung von monatlich 4.400,00 EUR netto schlossen. Entsprechend des Auftragsformulars bestand der Leistungsumfang aus den Leistungen eines Leistungspaketes Onlinemarketing-Flaterate sowie eines Leistungspaketes Internetagentur-Flatrate.
Die Leistungen gemäß der Onlinemarketing-Flatrate waren u.a. Projektmanagement, Beratung, Konzeption/Strategie, Online-Werbemittel (z.B. Banner), Suchmaschinenoptimierung (SEO), Suchmaschinenwerbung (SEA, z.B. Google-Adwords/Facebook, jeweils exklusive Media-Budget/Schaltvolumen), Affiliate-Marketing, Newsletter-Marketing etc. Der Leistungsumfang der Internetagentur-Flatrate war u.a. Projektmanagement, Beratung, Konzeption/Strategie, Kreati-on/Gestaltung/Layout/Reinzeichnung, Textarbeiten in Deutsch (exklusive Übersetzung) sowie alle Internet-Programmierleistungen.
Gemäß der allgemeinen Vertragsbedingungen hatte die Auftraggeberin ein festes, monatliches pau-schales Honorar zzgl. Mehrwertsteuer zu zahlen. Dort fand sich auch die Formulierung, dass zwischen dem Kunden und der Agentur kein Werkvertrag sondern ein pauschaler Dienstvertrag geschlossen wird.
Später schlug die Klägerin der Beklagten verschiedene Warenwirtschaftssysteme sowie auch ein noch für später einzubindendes Template vor, in der Folge dessen durch die Beklagte zum einen eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde sowie auch der Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und eine Rückerstattung bereits gezahlter Beträge von insgesamt 36.652,00 EUR eingefordert wurde. Die Anfechtung wurde u.a. damit begründet, dass der tatsächliche Wert der bis dahin erstellten Testumgebung des vertragsgemäßen Onlineshops lediglich 2.500,00 EUR bis 3.000,00 EUR betragen habe, zudem bezog sie sich auf den Zukauf von Leistungen wie den Templates, dem Warenwirtschaftssystem und Übersetzungsleistung. In der Folge ließ die Beklagte schließlich die Website auch durch eine andere Firma erstellen.
Im Großen und Ganzen stritten sich die Parteien über die rechtliche Qualifikation des zwischen ihnen bestehenden Vertrages als Dienst- oder Werkvertrag. Die Klägerin war insofern der Auffassung, der abgeschlossene Vertrag sei als Dienstvertrag zu qualifizieren und ihr stehe daher der geltend gemachte monatliche Pauschalbetrag zu. Die Qualifikation ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Vertrags. Die Beklagte war hingegen der Auffassung, der streitgegenständliche Werkvertrag sei als Werkvertrag zu qualifizieren, diesen habe sie wirksam angefochten bzw. könne diesen – dies geht aber aus dem Tatbestand der veröffentlichten Entscheidung aber nicht genau hervor – jederzeit gemäß Werkvertragsrecht kündigen.
II. Die Entscheidung
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der geltend gemachte Anspruch der Klägerin aus § 611 BGB i.V.m. den zwischen den Parteien geschlossenen „Rahmenvertrag" zusteht. Bei dem zwischen den Parteien begründeten Rechtverhältnis handele es sich um einen Dienstvertrag. Die Einordnung beruhe zunächst auf den Wortlaut des Vertragstextes, es werde gerade kein Werkvertrag geschlossen, sondern ein pauschaler Dienstvertrag. Auch begründe die Vertragsstruktur im Übrigen eine Einordnung als Dienstvertrag. Der Vertrag sei als „Rahmenvertrag" bezeichnet, gemäß welchen der Kunde aus einer Vielzahl werbebezogener Einzelleistungen ein jährliches Zeitkontingent für Leis-tungen abrufen kann, das die Klägerin bereit hält. Ein wesentlicher Teil dieser Leistungen bestehe aus Onlinemarketing-Leistungen, die dienstvertraglich zu qualifizieren sind, weil lediglich ein Tä-tigwerden – etwa allgemeines Projektmanagement, Beratung, Suchmaschinenoptimierung und -werbung etc. – geschuldet ist. Inhaltlich stelle demgegenüber der Vertrag „Internetagentur-Flatrate" lediglich eine Erweiterung – allerdings um erfolgsbezogene Leistung – dar, ohne dass aus der jeweiligen Relation von monatlichem Pauschalhonorar und Stundenkontingent ein wesentlicher Schluss hinsichtlich des Schwerpunktes gezogen werden könnte.
Aber auch die Verfügbarkeit auch vertraglich zu qualifizierender Leistungen begründe vorliegend hingegen den Bezug auf dem Honoraranspruch der Klägerin nicht einer Einordnung als Werkvertrag insgesamt. Die Leistungsbeschreibung enthält insoweit insbesondere den Entwurf, das Layout, die Reinzeichnung und Programmierleistungen in Bezug auf „alle Internet-Aktivitäten", also auch die Erstellung eines Onlineshops, ferner Textarbeiten in deutsch. Hier handele es sich zwar um Leistungen, die charakteristisch sind für einen „Webdesign-Vertrag", der regelmäßig als Werkvertrag zu behandeln ist, in Bezug auf den Gesamtvertrag und den sich aus diesem ergebenden Honoraranspruch sind diese werkvertraglichen Elemente jedoch nicht als bestimmend anzusehen. Dies beruht, so das Gericht, auf der oben bereits dargelegten Preiskalkulation. Ferner sei das Vertragsverhältnis einerseits als Dauerschuldverhältnis angelegt, andererseits als „Rahmenvertrag". Vertraglich sei gerade nicht eine Fertigstellung im werkvertraglichen Sinne angesehen, sondern eine fortlaufende Vertragsbeziehung unter unterschiedlicher (und unterschiedlich zu qualifizierender) Leistung. Demgemäß liege auch kein auf Laufzeit geschlossener „Internet-System-Vertrag" vor, der lediglich werkvertragliche Einzelleistungen zum Gegenstand hätte.
Insgesamt sei hier maßgeblich, dass dem Kunden während der gesamten Vertragslaufzeit sämtliche angebotenen Leistungen zur Verfügung gestellt werden und hierfür das monatliche Pauschalhonorar geschuldet wird. Demgemäß wäre auch die Anwendbarkeit werkvertraglicher Vorschriften wie etwa betreffend ein Recht zur freien Kündigung gemäß § 649 BGB auf den Rahmenvertrag mit der dortigen Honorarvereinbarung nicht vereinbar, denn diese sieht eine von den tatsächlichen Leistun-gen unabhängige tatsächliche Pauschalzahlung bei einem jährlichen Zeitkontingent vor. Anderen-falls bestünde die Möglichkeit einer freien Kündigung nach wenigen Monaten, aber voller Inan-spruchnahme des Zeitkontingents. Auch in Folge der dienstvertraglich geschlossenen Qualifikation des geschlossenen Rahmenvertrages und der vertraglich vereinbarten Fälligkeit und Vergütungsabrede komme es für die Fälligkeit der monatlich geltend gemachten Pauschalhonorare auf eine „Abnahme" der Leistung nicht an. Auch bedarf es – selbst sofern der Ausspruch der Anfechtung in eine freie Kündigung gemäß § 649 BGB umgedeutet werden können sollte – keiner Abrechnung der Klägerin entlang § 649 BGB, zumal nach dem Vertrag das Honorar unabhängig von der tatsächlichen Leistungserbringung verdient ist, denn die Vorschrift finde aus den genannten Erwägungen keine Anwendung.
Schließlich führt das Gericht noch zur Anfechtung aus, dass der streitgegenständliche Vertrag nicht wirksam gemäß § 123 BGB angefochten wurde. Eine Täuschung, d.h. eine positive Regelung eines Irrtums oder das Unterlassen einer gebotenen Aufklärung, sei weder in Bezug auf die mehrsprachi-ge Erstellung der Internetseite, noch auf den Bezug auf den Zukauf eines Templates sowie auch nicht auf Warenwirtschaftssystem oder den Wert der Internetseite dargetan. Hierzu wurden überwiegend prozessuale Argumente, vornehmlich bezogen auf die Darlegungs- und Beweislast, vom Gericht angebracht.
III. Fazit
Die Entscheidung macht bei Lektüre Sinn, jedoch darf hier nicht übersehen werden, dass ein komplexer Einzelfall entschieden wurde und es hier u.a. auch auf die genaue Wortwahl des Vertrags bzw. seiner Bedingungen sowie auch der Mehrheit an Dienstleistungen in dem Vertragskontext ankam.
Für die Praxis lässt diese Entscheidung gleichwohl die Empfehlung zu, dass wenn und soweit über bloße Dienstleistungen hinaus Werke zum Gegenstand eines Vertrags gemacht werden sollen, diese ggf. in gesonderten Verträgen zu regeln sind, da anderenfalls die für beide Seiten (auch) günstigen Regelungen des Werkvertragrechts wie Abschlagszahlungen, Mitwirkungspflichten, Abnahme, Kündigung etc. keine Anwendung finden.